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Foto: Thomas Müller, IBA Thüringen

„Quartierslösungen sind weit überlegen“

Prof. Dr. Lamia Messari-Becker Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik an der Universität Siegen. Sie ist Mitglied im Club of Rome, wirkte im Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen und im Wissenschaftsgremium Zukunft Bau des Bundesbauministeriums mit. Mit ihr, die kürzlich auch bei Markus Lanz zu Gast war, sprechen wir über klimaneutrale, effiziente Energiegewinnung und darüber, wie eine Umsetzung an Universitäten aussehen kann.

Wie müssen wir uns in Zukunft aufstellen, um Energie möglichst klimaneutral und effizient zu gewinnen?

Wir brauchen eine diversifizierte Energiewende, eine echte Wärmewende und Speicherkapazitäten. Wir müssen also dreifach korrigieren: Wir sollten den Fokus auf nur Strom, und dann auch nur aus Wind- und  Sonnenenergie, der alles versorgen soll (Industrie, Verkehr und Gebäude), korrigieren. Zu Wind und PV müssen nämlich weitere Quellen erneuerbarer Energien kommen, etwa Geothermie, Solarthermie, Biomasse. Zusätzlich müssen der Netzausbau vorangebracht und Speicherinfrastruktur aufgebaut werden. Denn ohne Speicherkapazitäten kommen wir nicht voran. Mittelfristig sollten wir CO2-Speichertechnik (CCS) als Option erwägen. Auf dem Weg zur klimaneutralen Energieversorgung wäre es wichtig, auch eigene Reserven zu aktivieren, anstatt von Despoten abhängig zu sein.

Wie könnte das in Hinblick auf die geplanten Uni-Quartiere in der Siegener Innenstadt aussehen?

Unbedingt für hohe Flächeneffizienz (Stichwort flexible Nutzung), für möglichst geringen Ressourcenbedarf beim Bau (Stichwort Kreislauffähigkeit und nachhaltige Materialien), für geringen Energiebedarf für Heizung, Kühlung, Lüftung etc. durch innovative technische Ausstattung, für thermischen und akustischen Komfort usw. sorgen, bei der Versorgung auf erneuerbare Wärme und Strom setzen; später im Betrieb auf Nutzerverhalten, betriebliche Effizienz und vieles mehr achten. Klar ist, dass einiges an Energieinfrastruktur bereits existiert. Am Ende geht es um ein angemessenes Maßnahmenbündel. Quartiere haben aber grundsätzlich eine besondere Rolle, auch als Bindeglieder zwischen Gebäuden einerseits und der Stadt andererseits. Quartierslösungen sind zudem Einzelgebäudelösungen weit überlegen. 

Inwiefern?

Vieles lässt sich hier ökologischer, kostengünstiger und sozialverträglicher realisieren. Dazu gehören etwa eine gemeinsame Energieversorgung, Mobilitäts- oder Nutzungskonzepte. Viele Ideen werden überhaupt erst ab einer gewissen Größenordnung (Quartier) darstellbar. Nehmen wir nur großformatige Energielösungen wie ein Blockheizkraftwerk. Oder nehmen Sie die Abwärmenutzung von Servern: Hier muss eine gewisse Größenordnung überhaupt zustande kommen, um damit etwas anfangen zu können. Ein weiteres Beispiel aus dem Bestand: Gemeinsame serielle Sanierungen im Quartier würden uns beim Klimaschutz schneller voranbringen als der Fokus auf Einzelgebäude. Auch die finanziellen Ressourcen wären effizienter eingesetzt. Kurzum: Durchdachte Quartierskonzepte können die energetische, mobilitätsbezogene und soziale Vernetzung sehr effizient fördern.

Wenn wir über einen klimaneutralen Campus sprechen, spielen neben der Energieversorgung natürlich weitere Faktoren eine Rolle – was muss etwa beim Thema Verkehr passieren?

Richtig. Ein klimaneutraler Campus muss Mobilitätsfragen und die soziale Öffnung hin zur Stadt mitdenken. Dazu gehören die Einbindung in ÖPNV-Angebote und Ausbau der selbigen, Angebote an alle VerkehrsteilnehmerInnen (Fußwege, Fahrradwege, Busse, Auto etc.), digitalisierte bedarfsorientierte Angebote, Car-Sharing bis hin zu Parkplatzmanagement. Jedenfalls sind kurze Wege, gute Mobilitätsangebote sowie eine städtebauliche Einbindung immer auch Garanten dafür, dass jeder bezahlbar, ökologisch, schnell und sicher von A nach B kommen kann. Darüber erreichen wir eine Reduzierung des Verkehrsaufkommens ohne die Mobilität an sich einzuschränken.

Wie kann das zu einer sozialen Öffnung beitragen?

Nur ein Gedanke dazu: Gelingen Mobilitätskonzepte, ergeben sich leichter Optionen, die Gebäude, wenn diese das typologisch hergeben, für kulturelle oder anderweitige Veranstaltungen zu nutzen. Dadurch wird eine soziale Öffnung hin zur Stadtgesellschaft gefördert. Aber es geht auch um Außenraumqualität, Freizeit- und Grünflächenangebote. Gelingt es auch Wissens- und Technologietransfer in das Gesamtkonzept zu integrieren, würde das auch Perspektiven für eine regionale Wertschöpfung begründen. All das zahlt auf eine zukunftsfähige Standortentwicklung einer Universitätsstadt ein.

Sollten bzw. können Universitäten Vorreiter für eine nachhaltige Stadtentwicklung insbesondere in Bezug auf die Energieversorgung sein?

Ich denke schon. Und zwar nicht nur weil sie eine Vorbildrolle haben und die öffentliche Hand indirekt mit vertreten, die ja jede Menge Vorschriften anderen gegenüber formuliert. Sondern auch weil hier große Potentiale liegen, Stichwort klimafreundliche Energieversorgung, energetische Vernetzung und betriebliche Effizienz. Bei entsprechenden Ressourcen kann gerade hier Nachhaltigkeit zur Schule werden, im Wortsinn.

Die Standorte

Unteres Schloss

Der bisherige Campus Unteres Schloss bildet auch zukünftig das Zentrum des Innenstadt-Campus, der um die Standorte Friedrichstraße und Löhrtor erweitert wird.

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Friedrichstrasse

Die zur Begegnungszone umgestaltete Friedrichstraße weitet sich zu einem Platz, der zudem durch die neue Zuwegung zur Hindenburgstraße und somit zum Fluss Sieg geprägt wird.

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Löhrtor

Dieser Teil des Campus wird die neue „Grüne Lunge“ des universitären Lebens darstellen. Die bisher teilweise überbaute Weiß, ein Nebenfluss der Sieg, wird geöffnet, ökologisch verbessert und zu einem neuen parkähnlichen Grünbereich umgestaltet.

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